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Paxlovid: Wirksame COVID-19 Therapie mit vielen Wechselwirkungen


Autor: Dr. Ellen Kaminski

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Trotz Euphorie über die Wirksamkeit bleibt die Verordnung von Paxlovid anspruchsvoll

Zusammengefasst: Der Einsatz von Paxlovid kann Patientenleid vermindern, Klinikressourcen schonen und Kosten sparen – theoretisch jedenfalls. In der Praxis erweisen sich leider komplexe Wechselwirkungen mit gebräuchlichen Medikamenten, die individuell eine intensive Beratung erfordern, als hohe Hürde. Mit etwas Vorbereitung und digitalem Werkzeug könnte sich Paxlovid diesen Winter dennoch als Panacea für Risikopatienten erweisen. Dabei unterstützen kann auch das medizinische Labor. Einen zusätzlichen Anreiz, sich mit Paxlovid zu befassen, setzen die zunehmenden Berichte über den erfolgreichen Einsatz bei LongCOVID Patienten.

Ist die Pandemie vorbei? Noch haben wir Zehntausende von Coronainfektionen, täglich. Verändert hat sich aber unsere Wahrnehmung der Pandemie. Das liegt zum einen an den Subtypen von Omicron, der vorherrschenden Variante in Europa, die ein eher mildes Krankheitsgeschehen verursachen. Zum anderen aber auch an der wachsenden Zahl an Menschen mit ausreichendem Antikörperschutz. Kein Vergleich mehr zu den schweren Erkrankungs-Wellen der frühen Varianten. Trotz hoher Infektionszahlen wurden deshalb die Maßnahmen in Europa gelockert. Schaut man sich um, sind fast alle Masken gefallen. Das bietet beste Ausbreitungsmöglichkeiten, nicht nur für Corona, sondern auch für Influenza und andere virale Erreger, die durch die Maßnahmen der Pandemie bisher in Warteposition gedrängt waren. Kühle Temperaturen und nachlassender Impfschutz kommen hinzu und lassen uns Winterwellen, mit einer hohen Gefährdung für schwere Verläufe erwarten.

Ein Instrument, um schwere Verläufe beherrschbar zu machen könnten jetzt die Antiviralen COVID-19 Medikamente sein. Insbesondere der Virusblocker Paxlovid verspricht, Risikopatienten vor einer schweren COVID-19 Erkrankung zu schützen. Das Medikament wurde von Pfizer in Rekordzeit gegen die frühen Varianten von SARS-CoV-2 entwickelt und hat seit Anfang dieses Jahres eine vorläufige Zulassung in der EU für die Behandlung von COVID-19. Laut Zulassungsstudie kann Paxlovid bei gefährdeten Patienten, wie Älteren oder Vorerkrankten einen schweren Verlauf und Todesfälle zu nahezu 90% verhindern. Ganz aktuell zeigen Daten, dass dies auch für Erkrankungen mit der Omicron-Variante gilt. Einfach fünf Tage lang, je zwei rosa und zwei weiße Tabletten schlucken. Das stimmt hoffnungsvoll.

Paxlovid ist für alle erwachsenen COVID-19 -Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf geeignet. Dies sind vor allem ältere Menschen, Ungeimpfte und Patienten mit einer Reihe von Vorerkrankungen. Bei nachgewiesener Infektion sollte die Einnahme möglichst noch vor einem eventuellen Bedarf an Sauerstoff und stationärer Aufnahme beginnen. Während der letzten schweren COVID-19 Wellen profitierten bereits Menschen ab 60 Jahren von der Therapie. Die Daten unter Omicron haben das etwas verschoben und zeigen jetzt die größten Vorteile für ein Lebensalter ab 65 Jahren, für Ungeimpfte und Patienten mit Vorerkrankungen. Die antivirale Therapie mit Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) wird mit starkem Konsens auch in der neuen Ärztlichen S3-Leitlinie zur „Therapie von Patienten mit COVID-19 “, Stand 12.09.2022, empfohlen.

Eine erfolgreiche Therapie mit Paxlovid erfordert allerdings Aufwand und Kenntnisse. Bevor eine Entscheidung zur Anwendung fällt muss die Patientenhistorie mit individuellen Risikofaktoren, einschliesslich der vollständigen Medikamenteneinnahme bewertet werden. Mehrere Berichte über COVID-19 Rückfälle (Rebound), kurz nach Therapiende mit Paxlovid, verunsichern zusätzlich. Das ist nicht trivial, da es dadurch auch zu Ansteckungen kommen kann. Diese sind aber wohl selten. Trotz vieler Überlegungen muss die Entscheidung zum Therapiebeginn zügig fallen. Laut Hersteller soll die Therapie innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn und der im Labor bestätigten SARS-CoV-2 Diagnose eingeleitet werden. Klinische Studien setzen den Beginn noch deutlich früher an. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht den idealen Therapiestart bereits mit dem Tag des positiven Testergebnisses. Hier ist eine zuverlässige Diagnosestellung durch Testung über PCR vorteilhaft.

Paxlovid erfordert eine sorgfältige Abwägung, ärztliche Beratung und eine zügige Entscheidung zur Anwendung

Paxlovid besteht aus zwei aktiven Wirkstoffen. Der eigentliche Virushemmer, Nirmatrelvir blockiert den Vermehrungszyklus von SARS-CoV-2 effektiv. Da Nirmatrelvir im Körper aberschnell abgebaut wird, muss zusätzlich ein Stabilisator eingenommen werden. Dafür wurde auf Ritonavir, einem bereits bekannten Medikament aus der HIV-Therapie, zurückgegriffen. Als Trägersubstanz und Füllstoff ist den Tabletten Laktose zugesetzt. Dies kann bei einem ohnehin gereizten Darm und mit dem Paxlovid Nebenwirkungsprofil (Durchfall, Erbrechen, Geschmacksstörungen und Kopfschmerzen) zusätzlich für Probleme sorgen. Klinische Daten belegen die antivirale Wirksamkeit auch in der Praxis: schwere Verläufe werden abgemildert, die Krankheitsdauer wird verkürzt, die Viruslast gesenkt. Der Stabilisator Ritonavir sorgt allerdings durch sein großes Wechselwirkungsspektrum für einen erheblichen Zusatzaufwand. Vor der Einnahme gilt es, penibel Interaktionen zu prüfen.

Die lange Liste potenzieller Arzneimittelinteraktionen verunsichert.Ritonavir verursacht signifikante Plasmaspiegelveränderungen bei zahlreichen Präparaten, entweder durch Hemmungen oder umgekehrt durch beschleunigten Abbau. Dies kann zu schwerer Arzneimitteltoxizität oder aber relevanter Wirksamkeitsminderung führen. Bei manchen Medikamenten wird dadurch eine Dosisanpassung oder eine Umstellung notwendig. Einige Medikamente können, während der relativ kurzen Paxlovid-Therapie ausgesetzt werden. Aufwändiger wird es, wenn Spiegelbestimmungen und Drug-Monitoring erforderlich sind. Reichen auch diese Maßnahmen nicht aus, muss auf eine Therapie mit Paxlovid verzichtet werden. Die US-Behörde NIH listet aktuell über 60 Medikamente auf, die nicht zusammen mit dem COVID-19 Medikament verabreicht werden dürfen. Darunter fallen auch häufig eingenommene Medikamente wie Lipidsenker (Statine), Beruhigungsmittel (Benzodiazepine), Gerinnungshemmer (Vitamin-K-Antagonisten), Allergie-, Gicht- und Migränemittel, einige Antibiotika und Anti-Pilzmittel. Auch nach der Einnahme von Sildenafil (Viagra), Drogen wie Amphetaminen oder dem weitverbreiteten und frei verkäuflichen Johanniskraut sollte keine Therapie mit Paxlovid begonnen werden. Viele dieser Arzneien, etwa gegen Bluthochdruck, werden aber gerade von Menschen eingenommen, für die eine Behandlung mit Paxlovid empfehlenswert wäre.

Die Personen, die am meisten von einer Therapie mit Paxlovid profitieren könnten, nehmen auch häufig Medikamente ein, die ein hohes Interaktionspotential aufweisen

Gute Erfolge durch Umsicht und Beratung. Patienten, für die eine Therapie mit Paxlovid gut geeignet ist, weisen einen oder mehrere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf auf. Dazu gehören nicht nur Alter ab 65 Jahren, Rauchen und Adipositas, sondern auch Volkskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Asthma. Viele Dialysepatienten oder Menschen mit einer immunschwächenden Erkrankung haben die letzten Corona-Wellen nicht überlebt, auch weil die Impfung bei ihnen schlechter wirkt. Intensivmediziner fordern deshalb verständlicherweise die stärkere Nutzung von Paxlovid. Auch Politiker raten dazu, dass Coronamedikament mehr einzusetzen, nicht zuletzt, um die Belastung unseres Gesundheitssystems zu senken. Für viele Risikopatienten könnte sich Paxlovid tatsächlich als Segen erweisen. Die Entscheidung zur Therapie fällt jedoch vor allem den Hausärzten zu. Da die Indikationsstellung für Paxlovid und ein Beratungsgepräch gut mal eine Dreiviertelstunde für den individuelle Patienten in Anspruch nehmen kann, ist das im Alltagsbetrieb schwer zu leisten.

Digitale Lösungen und zeitnahe Vorbereitung können unterstützen. Statt seitenlangen Warnhinweisen sind konkrete Handreichungen hilfreich, wie sich Medikamente vernünftig anpassen lassen. Ein digitales und frei verfügbares Hilfsmittel für Ärztinnen und Ärzte bietet die University of Liverpool an. Alle Wechselwirkungen mit Tipps für die Verschreibung von Paxlovid lassen sich dort abrufen. Die interaktive Seite ist leicht zu bedienen, wird regelmässig angepasst und ist in englischer und spanischer Sprache verfügbar unter Antiretroviral Drug Interaction Checker. Ein unterstützendes Handwerkszeug für den hausärztlichen Praxisalltag ist auch eine Tabelle der Fachgruppe Covriin am RKI in deutscher Sprache. Die gelben und roten Signalfarben ermöglichen eine schnelle und übersichtliche Orientierung.

Eine vollständige Auflistung der eingenommenen Präparate im Vorfeld kann den Hausarztpraxen die Beratung erleichtern. Sie könnten bereits zum Gespräch mitgebracht werden. Pharmakologische Interaktionen gehören zur Kernkompetenz der ApothekerInnen und könnte mit eingebracht werden. Medizinische Labore können den entsprechenden Patientenbefunden Hinweise zu Paxlovid beifügen. Ingenium Labs informiert alle Partnerstationen, Apotheken und Praxen und weist betroffene Kunden auf die Möglichkeit einer Therapie hin. Idealerweise können wir dazu beitragen, dass Personen, die von dem Medikament am meisten profitieren, zeitnah und gut informiert das Gespräch mit ihrem Hausarzt suchen. Gleichermassen können informierte Menschen ohne Risikoprofil selbst einschätzen, ob eine Medikation für Sie überhaupt Sinn machen würde und entsprechend auf Nachfragen beim Hausarzt verzichten.

Antivirale Arzneimittel in der Therapie von LongCOVID könnte ein zusätzlicher Anreiz für die Vertiefung von Fachkenntnissen sein. Es mehren sich nämlich Berichte über Patienten, bei denen die chronischen Symptome nach der Einnahme von Virostatika verschwanden. Zunächst gab es Meldungen von Betroffenen auf Twitter und anderen Plattformen. Inzwischen berichten auch Linda Geng, Co-Direktorin derCOVID-Klinik von Stanford Health Care und Steven Deeks, Professor für Medizin an der Universität von Kalifornien, San Francisco von Erfolgen bei LongCOVID nach Einnahme von Paxlovid. Die MedizinerInnen weisen darauf hin, dass es sich bisher um Einzelfallberichte handelt. Sie würden aber in der Diskussion um Ursachen von LongCOVID die Hypothese eines viralen Reservoirs stützen. Bei einem Verbleib des Virus in Körperzellen könnte SARS-CoV-2 auch nach dem Abheilen der akuten Infektion die quälenden Langzeitsymptome bei Betroffenen hervorrufen. Ein Antivirus-Medikament wie Paxlovid könnte in solchen Fällen aussichtsvoll eingesetzt werden. Beweise dafür, dass antivirale Medikamente LongCOVID lindern oder heilen können, benötigen sorgfältig konzipierte Studien und schlüssige Laboruntersuchungen. Diese stehen noch aus, werden aber von MedizinerInnen, auch in Deutschland mittlerweile als sinnvoll angesehen. In der jüngsten Stellungnahme des ExpertInnenrats der Bundesregierung werden die Hersteller Antiviraler Arzneimittel sogar direkt aufgefordert „Daten zum Einfluss der Medikamente auf das Long-/Post-COVID-Risiko vorzulegen.“

Der Ingenium-Tipp: Ein kostenfreies Web-Seminar für Ärztinnen und Ärzte zu dem Thema „COVID-19: Therapeutisches Update" findet an zwei Terminen im Oktober via WebEX statt. Expertinnen und Experten des STAKOB beim Robert Koch-Institut schulen, beraten und unterstützen beim therapeutischen Management von Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionen. Eine Anmeldung ist online möglich, Fortbildungspunkte sind beantragt.

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